Jamal (Name geändert) ist 33 und seit 21 Jahren abhängig von Pornografie. Offen erzählt er von seinem Weg in die Sucht, einem Leben, das nur mehr aus Konsum bestand und dem, was jetzt ist.

Ein Mausklick – Erschöpft, betäubt und voller Leere

Jamal war zwölf, als er Covergirls auf den Magazinen im Internet entdeckte. Kindliche Neugierde nennt er den Treiber. Es fing harmlos an. Mit einem Mausklick. Die Neugierde wurde zum Ritual. Täglich versteckte er sich hinter dem Computer seiner Eltern. Aus einer Frau wurden eine Frau und ein Mann, zwei Frauen, zwei Männer, eine Gruppe Männer um eine Frau. Der Orgasmus brachte keinen Frieden, nur noch größere Leere.

Zur selben Zeit trennten sich seine Eltern. Jamal kann sich nicht daran erinnern, dass sie sich jemals vor ihm geküsst hatten. Zärtlichkeiten gab es bei ihm nie.

„Mein Vater trank. Meine Mutter kümmerte sich um die Familie. Ich versuchte es allen recht zu machen und möglichst nicht aufzufallen. Hätte man mir damals eine Flasche Wodka hingestellt, wäre ich vermutlich Alkoholiker geworden.“

Jamal hatte mehrere Beziehungen. Einige hielten nur wenige Wochen, einige hielten Jahre. Kaputt gingen sie immer. „Die Beziehungen waren sexuell oft überladen, weil ich echte Zuneigung nie wirklich annehmen konnte.“

Die Pornoindustrie wächst – Thematik nimmt rasant zu

Jamal beschreibt einen Prozess, den die meisten Betroffenen durchlaufen. Renanto Poespodihardjo, leitender Psychologe vom Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen in Basel, sagt:

„In der Jugend auf pornografische Inhalte zu stoßen, ist nicht außergewöhnlich. Problemhaft werde es, wenn die Pornografie zum Rückzugsort wird, und sie betäuben soll. Wenn die Inhalte zu einem zentralen Lebensinhalt werden. Das heißt, wenn Treffen mit Freunden, die Arbeit, alles um den Konsum herum geplant werden.“

Mit 22 – nach zehn Jahren Sucht – merkte Jamal, dass etwas nicht stimmen konnte. Er hatte alles – und wollte nur eines. „Ich war so weit weg von meinem Glück.“ Im Dezember 2021 wandte er sich schließlich an einen Psychiater. Doch er wird immer wieder rückfällig. Den Durchbruch brachte Jamal erst eine Beziehung, die wegen seiner Angst vor Nähe zu scheitern drohte. Als es dann soweit war, merkte er, dass er das verloren hatte, was er schon sein Leben lang in all den Videos suchte: Geborgenheit. Er wollte sein Leben auf die Reihe kriegen und seine Freundin zurückgewinnen.

Jetzt, vierzehn Tage ohne Konsum, sagt Jamal:

„Ich werde immer süchtig sein, aber es gibt ein Leben ohne Konsum und ich spüre, wie erfüllend es ist. Ich habe meinen Körper jahrelang missbraucht.“

Poespodihardjo: „Die Hürde, sich Hilfe zu holen, ist groß. Die Thematik wird aber immer grösser. Früher hatten wir kaum Patienten mit Pornosucht. Heute ist es ein Viertel unserer Patienten.“

Safersurfing möchte Menschen helfen, die unter einer Pornografieabhängigkeit leiden. Möchtest du endlich frei sein? Auf unserer Website findest du Links zu Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen sowie einen kostenlosen Onlinekurs.

Bildquelle: © Štefan Štefančík auf Unsplash

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