Abhängigkeit ist eine Reaktion auf Leid und Liebesentzug in der Kindheit, erklärt der Krankheits- und Suchtexperte Dr. Gabor Maté. Er ist überzeugt: Die Sucht sucht Liebe.

Abhängigkeit als Reaktion auf Schmerz

Jede Sucht, und damit auch die Abhängigkeit nach Pornografie, ist eine Reaktion auf Leid und Liebesentzug in der Kindheit. Das sagt der Krankheits- und Suchtexperte Dr. Gabor Maté. Er ist ein praktizierender Arzt, der sich auf das Studium und die Behandlung von Abhängigkeiten und Traumata spezialisiert hat. Aus seiner langen Zusammenarbeit mit Suchtkranken und zahlreichen Studien geht hervor, dass jeder Abhängigkeit eine Suche nach Liebe, Schutz und Geborgenheit zugrunde liegt, die dem Betreffenden in seiner Kindheit gefehlt hat. Dieser Mangel an Liebe entsteht oft durch ein Trauma in den ersten fünf Lebensjahren. Maté weist daraufhin, dass die Betroffenen meist gar nichts davon wissen, da Traumata generell verdrängt und vergessen werden. Der Schmerz ist dennoch da und jeder Mensch will diesem Schmerz entkommen.

Ursachen für den Schmerz

Jeder Mensch geht mit Schmerz anders um. Die einen versuchen ihn aktiv zu verarbeiten. Andere versuchen ihm zu entfliehen, durch Verdrängen oder Betäubung. Letzteres geschieht durch Suchtverhalten, egal welcher Art. Maté zufolge muss den Ursachen des Schmerzes nachgegangen werden. Diese können unter anderem folgende Erfahrungen in der Kindheit sein:

  • Die Grundbedürfnisse – dazu gehören nicht nur Hunger und Durst, sondern auch Liebe, Schutz und Geborgenheit – wurden nicht ausreichend gedeckt. Zum Beispiel durch das Praktizieren der Theorie, ein Baby einfach schreien zu lassen. Bindungsforscher sind heute der Überzeugung, dass dies zu tiefen traumatischen Erfahrungen führen kann.

  • Liebe wurde meistens an Bedingungen geknüpft. Das bringt Kinder in den Zugzwang, für Liebe etwas leisten zu müssen. Dabei sollte Liebe genau das nicht sein. Jedes Kind sollte um seiner selbst willen geliebt werden, betont auch der Hirnforscher Dr. Gerald Hüther. Es entwickelt sonst das Gefühl, nicht auszureichen, nicht genug zu sein.

  • Damit verbunden werden Kinder häufig auch viel zu früh mit dem Leistungsgedanken unserer Gesellschaft konfrontiert. Sie dürfen nicht einfach „sein“ und sich an dem, was sie wahrnehmen, freuen. Sie werden zum Beispiel unfreiwillig in früh fördernde Kurse gebracht.

  • Daraus folgt, dass Kinder kaum mehr den notwendigen Freiraum für kreatives Spiel erhalten. Früh fördernden Maßnahmen oder das gezielte Eingreifen der Eltern, die glauben, das Kind korrigieren zu müssen, tragen dazu bei.

  • Überfürsorgliches Verhalten führt zu Verunsicherung, da Kinder nicht selbst lernen können, Risiken einzugehen oder sich herauszufordern, und in Folge dessen kaum Ehrgeiz entwickeln, so der Psychotherapeut Ralf Schneider in seiner „Suchtfibel“.

  • Häufig kommt es auch dazu, dass Eltern ihre eigene Versagensangst auf das Kind übertragen. Das magische Mittel gegen Angst scheint offenbar Leistung zu sein, die die Kinder dann wiederum erbringen sollen.

Sucht sucht Liebe – Frei werden

Einfach abstinent zu sein, reicht nicht aus, um wirklich von einer Abhängigkeit frei zu werden. Insbesondere bei Süchten, die nicht direkt auf Substanzen zurückgehen, scheint es fast offensichtlich, dass die Gründe dafür nicht in der Abhängigkeit selbst liegen. Dies trifft in besonderer Weise auf die Sucht nach pornografischen Inhalten zu. Um ganz frei zu werden, ist es wichtig, sich mit einer vertrauten Person, einer Selbsthilfegruppe oder einem Therapeuten dem inneren Schmerz und den eigenen Ängsten zu stellen. Durch das Bewusstmachen, Aussprechen und Verarbeiten des Leids und der Ängste kann eine tiefgreifende Veränderung und Heilung stattfinden, die langfristig zur Freiheit von der Abhängigkeit führt.

Love Is More weiß, dass Abhängigkeit selten nur einen allein betrifft. Meist leidet auch der Partner. Daher bieten wir Onlinekurse für Betroffene und ihre Partner an, ebenso wie einen Ratgeber speziell für Partnerinnen. Auf unserer Website findest du weitere hilfreiche Beiträge zu diesem und ähnlichen Themen.

 

Bildquelle: © Toimetaja tõlkebüroo / Unsplash

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