{"id":3828,"date":"2018-09-11T12:32:59","date_gmt":"2018-09-11T10:32:59","guid":{"rendered":"https:\/\/www.safersurfing.org\/loveismore\/?p=3828"},"modified":"2022-01-19T20:19:47","modified_gmt":"2022-01-19T19:19:47","slug":"ich-war-suechtig-nach-virtueller-liebe","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.safersurfing.org\/loveismore\/ich-war-suechtig-nach-virtueller-liebe\/","title":{"rendered":"Ich war s\u00fcchtig nach virtueller Liebe"},"content":{"rendered":"
Martin R. aus der Schweiz sagt heute von sich selbst, dass er s\u00fcchtig nach virtueller Liebe war. In einem sehr pers\u00f6nlichen Interview mit Love Is More<\/a> erz\u00e4hlt er uns ausf\u00fchrlich, wie es dazu kam und wie er sich letztlich davon befreien konnte.<\/p>\n LIM:<\/em> Martin, du sagst von dir, dass du s\u00fcchtig nach virtueller Liebe warst. Was muss ich mir darunter vorstellen und wie fing das \u00fcberhaupt an?<\/em><\/p>\n Martin:<\/em> Viele werden sich jetzt nat\u00fcrlich fragen: S\u00fcchtig nach Liebe? Wie kann man von etwas so Sch\u00f6nem denn s\u00fcchtig werden? Nun ja, es war vielmehr eine billige Kopie, etwas das sich f\u00fcr \u201eLiebe\u201c ausgibt. Ich spreche hier von Pornografie. Bei mir ging es darum, eine Leere, die ich im Herzen hatte und die mich traurig machte zu bet\u00e4uben. Pornografie gaukelt dir vor, dass du geliebt bist, also Annahme findest. Die Menschen, Darstellerinnen und Darsteller in den Videos l\u00e4cheln in die Kamera, sie flirten und signalisieren: \u201eDu bist gewollt, f\u00fchl dich willkommen bei uns. Bleib ein bisschen hier um zu entspannen und die Zeit zu genie\u00dfen.\u201c Mich zog das damals unwahrscheinlich an. Darin hatte ich das \u201eideale\u201c Mittel gefunden, um Frust, Langeweile, Trauer und Leere zu kompensieren. Immer dann, wenn ich mich ungeliebt f\u00fchlte, ging ich ins Internet.<\/p>\n Aus der regelm\u00e4\u00dfigen Gewohnheit entstand eine Sucht. Ich hatte meinen Erstkontakt mit Pornografie mit 13 Jahren, das waren damals Romane mit sexuellem Inhalt, die mich so faszinierten. Sp\u00e4ter, als das Internet aufkam, waren es erste Bilder, die ich mir immer h\u00e4ufiger ansah. Dann kam irgendwann das Breitband-Internet auf und damit f\u00fcr mich die M\u00f6glichkeit, Videos zu laden und konsumieren. Ich erinnere mich an meine Schulzeit, als ich mich aufs Abitur vorbereitete. Ich hatte Stress und war angespannt. So w\u00e4hlte ich die virtuelle Liebe am Laptop und sah mir Videos an, um f\u00fcr eine Weile die Anspannung hinter mir zu lassen und zu vergessen. In dieser Zeit konsumierte ich durchschnittlich etwa 9-12 Stunden Pornografie pro Woche. Privat hatte ich quasi keine Hobbies mehr, mein Leben drehte sich nur noch um Schule und die eigene Entspannung vor dem Laptop. Ich machte keinen Sport mehr, zog mich aus sozialen Bindungen zur\u00fcck und isolierte mich zunehmend, um meine private \u201eintime\u201c Zeit vor dem Bildschirm zu verbringen. Es war der Horror.<\/p>\n Sp\u00e4ter, als ich eine Frau kennen lernte und mit ihr eine Beziehung einging, hoffte ich, das Problem w\u00fcrde sich nach der Heirat automatisch erledigen. F\u00fcr ein paar Wochen funktionierte dies auch ganz gut. Aber meine Sucht war st\u00e4rker. So fand ich mich eines Tages wieder vor dem Laptop, um heimlich zu konsumieren. Da ich mich vor Scham niemandem anvertrauen wollte, blieb es im Verborgenen bis meine damalige Frau mich eines Tages vor dem Laptop erwischte. Das war zu einem Zeitpunkt, an dem die Sucht mich absolut beherrschte. Ich war nicht mehr in der Lage, meinen Konsum zu drosseln oder gar zu stoppen.<\/p>\n Als Single oder Unverheirateter ist man dazu geneigt anzunehmen, dass der Pornografiekonsum vor dem Traualtar ende und die eheliche Sexualit\u00e4t diesen ersetze. Das ist eine sch\u00f6ne Vorstellung. Nur leider entspricht dies in keiner Weise der Realit\u00e4t. Vielmehr wird das Problem in der Ehe nur noch drastischer, da man aufgrund des Verlangens nach unmittelbarer und stets verf\u00fcgbarer Lust seinen Ehepartner systematisch zu betr\u00fcgen beginnt. Warum sollte man mit der Intimit\u00e4t warten, bis der Ehepartner in Stimmung ist, wenn das Internet voller verlockender Angebote ist, die sofortige Entspannung garantieren?<\/p>\n Das Problem besteht unter anderem in der sofortigen Verf\u00fcgbarkeit und Wirksamkeit der Pornografie. Der Konsument \/ die Konsumentin kann sich damit jederzeit in eine Art Rauschzustand versetzen, in dem das Gehirn k\u00f6rpereigene Gl\u00fcckshormone aussch\u00fcttet, die sowohl bet\u00e4ubend als auch angstl\u00f6send wirken. Die berauschende Wirkung dieser Neurotransmitter ist also Ursache f\u00fcr die Sucht.<\/p>\n Ich bef\u00fcrchte, dass der effizienteste Weg eine Ehe zu zerst\u00f6ren darin besteht, den Ehepartner sexuell zu betr\u00fcgen. Die Pornografie weist hierbei eine unfassbar zerst\u00f6rerische Kraft auf.<\/p>\n LIM: <\/em>Wie und wo fandest du Heilung von deiner Pornografieabh\u00e4ngigkeit?<\/em><\/p>\n Martin:<\/em> Nachdem ich alle m\u00f6glichen und auch unm\u00f6glichen Methoden versucht hatte, um mich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen, gab ich es irgendwann auf. Je mehr ich gegen meine Sucht ank\u00e4mpfte, desto enger zog sich die Schlinge um meinen Hals. Ich schaffte es maximal zwei Wochen ohne Pornos und ich fand alle erdenklichen Wege, um ins Internet zu kommen. Die Sucht forderte ihren Tribut. Ich hatte zu dieser Zeit bereits vollst\u00e4ndig mit einem pornofreien Leben abgeschlossen. So fand ich mich mehr und mehr mit meiner Situation ab. Ich versuchte schlussendlich nur noch den Schaden an meinem Herzen, den ich mir durch den Konsum einhandelte, m\u00f6glichst gering zu halten.<\/p>\n Ein gro\u00dfes Problem besteht darin, dass Pornografie bis heute ein Tabuthema ist. Es wird dar\u00fcber nicht gesprochen, denn die Thematik ist mit unglaublicher Scham behaftet. Es geht sogar so weit, dass der\/die Konsument\/in zu glauben beginnt, er\/sie sei die einzige Person, die ein Problem mit Pornografie habe.<\/p>\n Nat\u00fcrlich variieren die Zahlen immer etwas, jedoch sollte \u2013 vorsichtig gesch\u00e4tzt \u2013 davon ausgegangen werden, dass etwa ein Viertel aller Suchanfragen im Internet mit Pornografie in Verbindung stehen. Unter den Konsumenten liegen die M\u00e4nner weit vorn. Jedoch zeigt die Statistik, dass auch Frauen zunehmend betroffen sind. Pornografie ist l\u00e4ngst zu einem Massenph\u00e4nomen bzw. einer Epidemie weltweit geworden.<\/p>\n Mein Weg der Heilung begann, als ich eines Tages wieder vor dem Laptop sass und Pornos konsumierte. Da ploppte im Werbebereich ein kleines Fenster auf, das mich neugierig machte: Darauf warb eine Organisation mit einem Online-Programm, das f\u00fcr Betroffene eine Hilfe beim Ausstieg zu bieten versprach.<\/p>\n Und so landete ich dann auf einer christlichen Seite, \u00e4hnlich, free!ndeed<\/a> die in einzelnen Tageslektionen die biblischen Wahrheiten behandelte. Das half mir bereits enorm.<\/p>\n Sp\u00e4ter nahm mich dann ein guter Kollege, dem ich mich anvertraut hatte, zu einer Selbsthilfegruppe<\/a> f\u00fcr M\u00e4nner mit. Diese Gruppe war ein echter Segen. Hier lernte ich offen \u00fcber meine Sucht zu sprechen und dabei wurde bereits die Macht des Verborgenen gebrochen.<\/p>\n LIM: <\/em>Wenn ich jetzt selber mit diesem Thema am K\u00e4mpfen bin und einen Ausweg suche, wo kann ich Hilfe holen?<\/em><\/p>\n Martin:<\/em> Es gibt verschiedene Wege, wie ich mir als Betroffene\/r Hilfe holen kann.<\/p>\n<\/div> Informiere dich \u00fcber die M\u00f6glichkeiten, dich einer Selbsthilfegruppe anzuschlie\u00dfen (Anm. d. Red.: Es gibt bereits mehrere Gruppen in\u00a0\u00d6sterreich<\/a>,\u00a0Deutschland\u00a0<\/a>und der\u00a0Schweiz<\/a>, in\u00a0S\u00fcdtirol<\/a>\u00a0ist eine geplant)<\/p>\n<\/div><\/li> Gr\u00fcnde selbst eine Zweierschaftsgruppe und vertraue dich einer gefestigten Person in deinem Umfeld an.<\/p>\n<\/div><\/li><\/ul> <\/p>\n LIM: <\/em>Gibt es Prinzipien, die wichtig sind, damit man geheilt wird und welche Rolle spielt Gott dabei?<\/em><\/p>\n Martin:<\/em> Es ist wichtig, dass du mit dem Thema Pornografie nicht f\u00fcr dich bleibst. Denn S\u00fcnde gedeiht am besten im Dunklen, im Verborgenen.<\/p>\n Ein weiteres wichtiges Prinzip ist die Rechenschaft. Hierbei verabredet man sich mit einer Person oder Gruppe zu verbindlichen Treffen.\u00a0Ausserdem sei an dieser Stelle unbedingt eine Schutzsoftware<\/a> f\u00fcr PC\/Mac und Handy empfohlen. Es ist kein Zeichen von Schw\u00e4che, einen solchen Schutz zu installieren, sondern vielmehr eine weise Entscheidung, wenn man wirklich frei werden m\u00f6chte. Jesus spricht klar von einer radikalen Trennung all der Dinge, die zum Fallstrick werden k\u00f6nnen (Mt 18,8f.).<\/p>\n Schlussendlich sind all diese Dinge lediglich eine Behandlung der Symptome. Die Ursache des Pornokonsums liegt dabei sehr viel tiefer. Oft sind es pers\u00f6nliche Verletzungen, ein inneres Defizit an Liebe oder tiefe Unsicherheit \u00fcber den eigenen Selbstwert, die zu einer Sucht f\u00fchren.<\/p>\n Im Grunde laufen bei dem Prozess des Freiwerdens von Pornografie deshalb zwei Prozesse parallel ab:<\/p>\n<\/div> 1. Die Entw\u00f6hnung vom Konsumverhalten (durch Hilfsmittel wie Rechenschaft, Schutzsoftware, radikaler Trennung von allem, was das Feuer der Lust neu entz\u00fcnden kann).<\/p>\n<\/div><\/li> 2. Den Prozess der Herzensheilung und Wiederherstellung durch Jesus selbst.<\/p>\n<\/div><\/li><\/ul> Beim zweiten Punkt kommt es vor allem auf die innere Einstellung und der Bereitschaft zur Kapitulation vor Gott an. Denn erst wenn ich mir selbst eingestehe, dass ich Heilung brauche, und selbst nichts dazu tun kann, kann ich Gott die Erlaubnis geben, mein verwundetes Herz zu heilen. Das braucht freilich Zeit.<\/p>\n LIM: <\/em>Wie w\u00fcrdest du Pornografie beschreiben?<\/em><\/p>\n Martin:<\/em> Pornografie ist die Suche des Menschen nach Liebe. Als ich im Konsum gefangen war, suchte ich weniger das sexuelle Vergn\u00fcgen, als vielmehr eine tiefe Liebe und ich w\u00fcnschte mir, dass ich, so wie ich bin, angenommen w\u00fcrde. Ich glaube, dass jeder Mann, jede Frau, die Pornografie konsumiert oder andere Formen der sexuellen Unreinheit praktiziert, eigentlich auf der Suche nach ganzheitlicher Liebe ist. Eine Sehnsucht nach reiner Liebe, wie sie die Welt so nicht zu stillen vermag.<\/p>\n LIM: <\/em>Ist Pornografie nur ein M\u00e4nnerthema und wie sieht es in christlichen Gemeinden aus?<\/em><\/p>\n Martin:<\/em> Anonym durchgef\u00fchrten Umfragen zufolge sind christliche Gemeinden leider etwa in derselben Weise von Pornografie betroffen wie auch dem Glauben fernstehende Menschen. Statistisch gesehen macht die Pornografie also nicht halt vor gl\u00e4ubigen Menschen. Dass ein Christ nichts mit Pornografie zu tun hat, ist eine sch\u00f6ne Vorstellung, geht jedoch leider weit an der Realit\u00e4t vorbei. Es sind auch christliche F\u00fchrungspersonen von der Thematik betroffen. Oft wird die Pornografie geradezu als Mittel zum Stressabbau eingesetzt. Das zieht sich durch \u00fcber den \u00c4ltestenrat bis hin zum Prediger\/Pfarrer.<\/p>\n Au\u00dferdem ist das Bekennen von sexueller S\u00fcnde leider immer noch ein gro\u00dfes Tabuthema und mit Existenz\u00e4ngsten verbunden. Wir setzen uns unter anderem daf\u00fcr ein, dass dieses schamblockierte Denken durchbrochen wird und sich Betroffene an einem gesch\u00fctzten Ort Hilfe und Unterst\u00fctzung suchen k\u00f6nnen.<\/p>\n Unter den Konsumierenden sind auch Frauen. So sprechen Frauen in der Regel weniger stark auf visuelle Reize an und f\u00fchlen sich mehr zu \u201eromantischen\u201c Romanen hingezogen. Diese Romane oder \u201eLiebesfilme\u201c sind einfach eine andere Art der erotischen Zurschaustellung und Ausdruck der Sucht nach virtueller Liebe.<\/p>\n LIM: <\/em>Warum denkst du, ist Pornografie immer noch ein Tabuthema? Warum spricht man nicht dar\u00fcber und holt sich keine Hilfe?<\/em><\/p>\n Martin:<\/em> Ich denke das Thema Pornografie ist viel mit Angst verbunden. Das beginnt bereits im privaten Umfeld: Was denken meine Kollegen, Freunde von mir, wenn ich zugebe, dass ich ein Problem mit Pornografie habe? Die Bef\u00fcrchtung vor Gesichtsverlust die hiermit einhergeht ist eine Artikulation des menschlichen Stolzes. Gerade unter M\u00e4nnern ist die Meinung vertreten, dass ein Mann immer stark sein muss und seiner eigenen Probleme Herr sei. Das dachte ich auch lange. Und es \u00e4nderte sich nichts in meinem Leben.<\/p>\n Eine andere Ursache des Tabus gerade in christlichen Bereichen ist der Umstand, dass in den Gemeinden viel zu wenig von und \u00fcber Sexualit\u00e4t gesprochen wird (von Pornografie ganz zu schweigen). Das liegt eventuell auch daran, dass bis hin zu den Gemeindeleitungen Menschen betroffen sind.<\/p>\n Ich glaube, dass es heute wichtiger denn je ist, \u00fcber die menschliche Sexualit\u00e4t in der Ehebeziehung zu sprechen. Wir sollten vor allem in den Gemeinden diese Chance nutzen und bewusst die gottgegebene Sexualit\u00e4t als grundpositives Element in der Ehe proklamieren.<\/p>\n LIM: <\/em>Kannst du mir eine Website, hilfreiche B\u00fccher rund um das Thema Pornografie empfehlen?<\/em><\/p>\n Martin:<\/em> Es gibt heute, Gott sei Dank sehr viel mehr Websites und B\u00fccher zu diesem Thema als noch vor zehn, f\u00fcnfzehn Jahren. Ich kann hier nur auszugsweise Empfehlungen aussprechen und will mich auf eine Handvoll Materialien beschr\u00e4nken.<\/p>\n Folgende B\u00fccher m\u00f6chte ich vorbehaltlos empfehlen:<\/p>\n GENUNG, Mike: Mein Weg zu Heilung<\/a><\/p>\n HAMMOND, Jeremy: Frei. Mann. Sein<\/a><\/p>\n B\u00d6HM, Susanne: Mein Weg zur Freiheit<\/a><\/p>\n Interesse an weiteren Zeugnissen<\/a>? Hier<\/a> geht\u2019s lang!<\/p>\nMeine Ehe, von virtueller „Liebe“ zerst\u00f6rt<\/h2>\n
Massenph\u00e4nomen Pornografie<\/h2>\n
Ein Tabu, das gebrochen werden muss<\/h2>\n