SELBSTWERT UND IDENTITÄTSBILDUNG
Die Schülerin/der Schüler kann:
So unverständlich das heute anmutet: Die längste Zeit sprach man nicht von „Sexualität“, sondern ausschließlich von den Gefühlen und auch Konsequenzen, die mit ihr verbunden waren. Also von Liebe, von Lust, von Leidenschaft, von miteinander das Ehebett teilen, von ehelichen oder von außerehelichen Kindern, von losen Sitten oder auch der ehelichen Pflicht.
Obwohl sich die Einschätzungen von Männern und Frauen über die Jahrhunderte stark veränderten – so galten bis in die Neuzeit die Frauen als die gefährlichen Verführer, erst im 19. Jahrhundert kam die Vorstellung auf, dass sie weniger Lust als Männer empfinden – war doch immer klar, dass Frauen moralisch geschützt werden müssten. Der Grund war nicht, dass man ihnen „keinen Spaß“ gönnte, oder sie unterjochen wollte, wie das heute oft dargestellt wird, sondern dass körperliche Lust und Leidenschaft immer auch mit der Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft oder der Ansteckung mit einer lebensbedrohenden Krankheit verbunden war.
Dabei bedeutete die monogame Ehe wirtschaftliche und soziale Absicherung von Frauen. Besonders ein außereheliches Kind war gleichbedeutend mit gesellschaftlicher Stigmatisierung und Ächtung, eben auch weil sich niemand um das Kind kümmern konnte. Andererseits bedeuteten (wie heute noch in vielen Ländern Afrikas und Südamerikas) Kinder in einer fest gefügten Ehe Wohlstand und Absicherung im Alter und damit Ehrbarkeit. Familie wurde immer gedacht als ein generationenübergreifendes gesellschaftliches Modell.
„Leisten“ konnte man sich unverbindliche Beziehungen erst, nachdem es zu drei Entwicklungen gekommen war: die Behandelbarkeit von Geschlechtskrankheiten seit der Zeit nach dem 2. Weltkrieg, die Verhütung von ungeplanten Schwangerschaften vor allem durch die Entwicklung der hormonellen Empfängnisverhütung, und die Absicherung durch die Berufstätigkeit von Frauen und einen Sozialstaat, der finanzielle Hilfe für die Kinderbetreuung zur Verfügung stellte.
Deshalb beruht eine intime Paarbeziehung heute weniger auf wirtschaftlichen und moralischen Grundlagen, sondern auf einer bewussten Entscheidung zweier Menschen, die psychologisch und emotional in hohem Maße Sinn macht. Dies ist einerseits eine enorme Befreiung hin zu einer echten Liebesbeziehung, andererseits aber auch eine große Aufgabe und Bürde, die vielen lästig erscheint, weil es die Befriedigung von Sexualität so scheinbar billig gibt und weil es altmodisch wirkt, sich nur an eine Partnerin oder einen Partner zu binden.
Hier zeigt aber die Bindungsforschung auf, dass die partnerschaftliche Liebesbeziehung alles andere als ein Auslaufmodell ist, weil sie sowohl auf körperlicher wie emotionaler und seelischer Ebene der sozialen Gesetzmäßigkeit folgt, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. So ist partnerschaftliche Sexualität mehr als die Befriedigung der einzelnen Partnerin oder des einzelnen Partners. Sichtbarer Ausdruck dafür können gemeinsame Kinder sein.
In dieser Einheit sollen wissenschaftliche Fakten besprochen werden, die dafür sensibilisieren, was im Körper und in unserer Persönlichkeit passiert, wenn sich zwei Menschen miteinander vereinen und zusammenleben. Dabei wird deutlich, dass Lust nur einen Aspekt von Sexualität und Liebe bildet, der zwar wichtig ist, aber nicht isoliert werden kann. Liebe ist immer auch eine Entscheidung, die große Wertschätzung für die ganze Partnerin und den ganzen Partner ausdrückt.
IDEEN FÜR DIE UNTERRICHTSGESTALTUNG
„Sex haben“ dient der Fortpflanzung
Kurzer Rückblick auf das in Einheit 4 bis 6 Gelernte, Brainstorming auf Flipchart. Was wissen die Schülerinnen und Schüler noch?
Feststellung:
Sexualität dient unter anderem dazu, dass neues Leben entstehen kann und wir uns als Menschen vermehren.
Das bedeutet ganz viel Freude, aber auch eine große Verantwortung. Kinder und Teenager sind damit noch überfordert. Deshalb ist das ‚Sex haben‘ / Geschlechtsverkehr ‚Erwachsenensache‘.
Auftrag:
In 4er Gruppen besprechen, was es bedeutet, für ein Baby zu sorgen. Was braucht es dafür? Die Gruppe schreibt es auf und stellt eine Liste mit Dingen zusammen, die ein Baby braucht. Jede Gruppe stellt ihre Überlegungen anschließend kurz der Klasse vor.
Geschlechtsverkehr schafft Nähe, verbindet, „klebt zusammen“
Puzzle-Übung: „Auf der Suche nach dem richtigen Gegenüber“
Die Schülerinnen und Schüler müssen in einem Puzzle-Mix (je 2 passende Teile aus verschiedenen Puzzles) nach zwei zueinanderpassenden Teilen suchen und diese zusammenfügen.
Blatt-Illustration:
Die Lehrperson erklärt mit Hilfe von 2 verschieden farbigen Blättern und Sekundenleim, dass sich zwei Menschen beim Geschlechtsverkehr so nahe kommen wie nirgends sonst.
Sie werden, bildlich gesprochen, ‚zusammengeklebt‘. Dies wird mit dünn aufgetragenem Sekundenleim und Blättern praktisch umgesetzt. Einige Minuten später bekommen die Schülerinnen und Schüler den Auftrag, die zusammengeklebten Blätter wieder zu trennen.
Was beobachten sie dabei?
Handcreme-Illustration: „Was wir unbedacht verteilen, ist weg“
Die Lehrperson bringt Handcrème oder (Haargel oder …) mit und verteilt diese(n) großzügig unter die Schülerinnen und Schüler. Danach teilt sie mit, dass sie gemerkt hat, dass sie zu viel weggegeben hat und bittet die Schülerinnen und Schüler, die Handcrème oder das Haargel wieder in die Tube zurückzugeben, was natürlich nicht geht.
Sexualität ist wie ein Tisch mit drei Beinen
Sexualität hat drei Bereiche: Fruchtbarkeit, Lust und Bindungsaspekte. Wie ein Tisch kippt, wenn er nur auf einem einzigen Bein steht, ist es auch mit der Sexualität. Wenn man nur Kinder will, dann fehlt beim Sex die Lust (Freude, Glück, Feuerwerk …) und der Bindungsaspekt. (Zusammengehören, sich ganz nah sein, Verbundenheit …) Will man Kinder und Lust, dann fehlt der Bindungsaspekt (der Tisch steht nicht). Hat man aber Bindung, Lust und Fruchtbarkeit, dann hat man drei Säulen und die tragen dann auch eine Tischplatte.
Anmerkung für die unterrichtende Person: Man könnte dies erweitern: Je mehr ein Mensch weiß, was er in der Sexualität mit dem anderen kommuniziert, desto stabiler, schöner, tiefer ist die Sexualität.
Ereignisse – Lebensagenda
Die Schülerinnen und Schüler fertigen mit einem langen Streifen Papier einen „Zahlenstrahl“ von 30 Jahren an (z. B. 1 Meter lang, 10 cm breit).
Anschließend schneiden die Schülerinnen und Schüler die Ereignis-Bilder (ARBEITSBLATT E 7-1) aus und kleben sie – je nach Empfinden – an den entsprechenden Ort auf den Zahlenstrahl.
Was gehört für sie in welchen Zeitabschnitt? Haben sie schon Vorstellungen oder konkrete Pläne für ihre Zukunft?